Ich war in Varanasi, diese Stadt liegt in Nordindien, 780 Kilometer östlich der indischen Hauptstadt Delhi überwiegend am linken Ufer des Ganges, Indiens größtem Strom.
Varanasi soll um 1.200 v. Chr. von Kashya, dem Sohn von Suhottra, gegründet worden sein.
Ghats am Flussufer
Die größte Attraktion Varanasis sind nicht seine Bauwerke, sondern die religiösen Handlungen der Hindus an den vielen Badetreppen (Ghats) des von den Hindus als Göttin Ganga verehrten heiligen Flusses Ganges. Die Ghats reihen sich wie Perlen 5 km lang am Südufer des Ganges aneinander. Die vielen Ghats sind es, die der Stadt ihren Charakter verleihen. An den Ghats stehen gewöhnlich kleine Tempel während die größeren Bauten mit ihren mächtigen Göttern und Göttinnen des Hindupantheons den imposanten Hintergrund bilden. Über jedes Ghat ezählt man sich in Varanasi eine Geschichte. Viele der Ghats wurden von indischen Fürstenfamilien gebaut, denen sie auch gehörten. Das religiöse Leben konzentriert sich heute zunehmend auf die Ghats von Daswamedh und Manikarnik.
Die ersten Strahlen der Sonne tauchen den Ganges in gelbe, rötliche, grünblaue Farben- immer wieder gebrochen vom Dunst, der vom Wasser aufsteigt, vom Rauhreif, der noch auf den Flusstreppen liegt, vom Rauch der Feuer, der aus den Häusern quillt. Im Wasser treiben Blüten und Girlanden, der Göttin Ganga dargebracht, treiben flackernde Öllichter auf tönernen Schälchen oder auf Blätter-Tellern flussabwärts, bis eine Welle sie verschluckt. Glockenklang aus nahen Tempeln und Schreinen mischt sich mit Stimmen von überall her – und doch liegt über diesem Bild eine beeindruckende große Ruhe.
Von morgens bis abends strömen Tausende hinduistischer Pilger hierher, um im Ganges zu baden oder heilige Rituale durchzuführen, wodurch sie sich Erlösung erhoffen. Manch einer nähert sich aber auch mit einem persönlichen Anliegen, der Bitte um einen Sohn, um Heilung von einer Krankheit, in der Hoffnung auf gute Ernte oder bessere Examensnoten. Vor allem Frauen kommen und beten für das Wohlergehen ihrer Männer, denn ohne sie sind sie fast verloren.
Mit gefalteten Händen schöpfen die Badenden Wasser für ihre Wunschgötter und für die Vorfahren : Fließt es über die Fingerspitzen zurück, ist es für die Götter, tropft es vom Daumenballen, gilt es den Ahnen.
Nach dem Bad steigen sie die Stufen zu ihrem Priester hinauf, legen die trockenen Kleider an, leihen sich einen Spiegel, um sich das Haar zu ölen und zu kämmen. Auch lassen sie sich vom Panda (Priester) die Tika (Stirnzeichen) geben. Er hält dafür Stempelkissen bereit und drückt ihnen nach Wunsch mit gelber Sandelholzpaste oder Zinnober den Namen der Götter auf die Stirn. Mit ein paar Münzen entlohnen sie ihn. Körper und Seele gereinigt, Götter und Manen versorgt, ziehen die Bewohner der Stadt und die Pilger, in der Hand einen Tontopf mit Gangeswasser, zum Visvanatha-Tempel, begrüßen den Gott des Universums; verehren und umwandeln ihn.
Ich habe die gesamte Szenerie von einem altertümlichen Ruderboot aus betrachtet. So hatten ich die beste Gelegenheit, das bunte und höchst malerische Leben und Treiben am Fluss und das Wesen des Hinduglaubens kennenzulernen.
Ich hätte es euch gern gezeigt aber es ist verboten, Aufnahmen von den Verbrennungsplätzen zu machen (am Manikarnika Ghat), wo die Leichen der Männer in weiße, die der Frauen in farbige Tücher gewickelt auf den Holzstapel gelegt und verbrannt werden.
Wenn die Seele den Körper verlassen hat, tragen die männlichen Verwandten den Leichnam auf Bahren durch die engen Gassen zum Fluss. Der älteste Sohn des Verstorbenen hat sich das Haar scheren lassen und kommt in sauberes weißes Tuch gekleidet. Der Leichnam wird auf den Scheiterhaufen gelegt, einige Sandelholzspäne darauf geworfen, dann zündet der Sohn das Holz an. Überall auf den Ghats hört man das gesungene Gebet Ram nam satya hain „Gottes Name ist Wahrheit“.
Der Tod wird oft als Schlaf vor der Wiedergeburt betrachtet. Wenn man morgens aufwacht, ist man derselbe Mensch wie am Abend zuvor, obwohl das Bewusstsein über Nacht nicht da war; genauso geht auch das Seele (Atman) von einem Körper in den anderen über, während das Bewusstsein schläft. Nur der Körper stirbt , er ist eine vergängliche Hülle, dessen Bestandteile bei der Einäscherung zu ihrem Ursprung zurückkehren, das Auge geht zur Sonne, der Atem zum Wind. Beim hinduistischen Begräbnisritual spricht man nicht von den vergangenen Taten der Verstorbenen, sondern wendet sich an die Seele:,,Geh hin, geh hin auf den alten Pfaden der Vorfahren“, denn die Seele ist nicht zerstörbar und damit unsterblich.
Der Totengott Yama hat in Varanasi keine Macht, denn dies ist die Stadt der Erlösung (Moksha). Hier darf er die Seelen nicht in die Hölle führen oder zu einer neuen Wiedergeburt. Hier leitet Shiva sie zur Erlösung und flüstert ihnen das Mantra zu, das ihnen die Überfahrt ermöglicht. Daher kommen viele Menschen, die sich ihrem Lebensende nähern, besonders Witwen, hierher um auf den Tod zu warten
Die Leichname von Säuglingen und sehr heiligen Männern weden nicht verbrannt; hin und wieder kommen sie aufgebläht an die Oberfläche und treiben vorbei. ,,Säuglingen sind wie Blumen, so schön, so rein, auch sie darf man nicht dem Feuer übergeben.“
Da Holz sehr teuer ist, erfolgt oft keine vollständige Verbrennung. Daher wird nicht nur Asche in den Fluss gestreut, sondern unterhalb von Varanasi treiben auch nicht vollständig verbrannte Leichenteile.
Sehr schöne Bilder und abgefahrene Farben/ Licht…! Cool geschrieben! Viel Spaß und guten Hunger 😉
Sehr bewegend und gut beschrieben – das macht’s den Inder alles leichter! Beneidenswerte Erlebnisse – wünsche euch noch viele davon! Papa
Mich fasziniert sowohl das, was Du schreibst, als auch die Kultur dieser Menschen und Ihr Glaube. Was das Wasser im Fluss angeht, so finde ich es sehr mutig, dass ihr da hinein gegangen seid.